Die Modelle von 1919 bis 1929
Vorbemerkung
Von 1919 bis 1929 wurden viele verschiedene Modelle gebaut. Nahezu jährlich gab es An- und Abkündigungen von Motorrädern. Nicht auf jedes Modell wird detailliert eingegangen, aber alle mir bekannten Fahrzeuge finden Erwähnung. Anhand der Modellgeschichte von Calthorpe ist auch die Entwicklung des Motorradbaus der Zeit gut nachzuvollziehen. Die Kräder „wachsen“ und die Entwicklung und Nutzung eigener Motoren schreitet voran. Hinweis: Die Leistungsangaben (HP) haben nichts mit der Motorleistung zu tun. Erklärung hier. Auf die Radgrößen wird im Folgenden nicht weiter eingegangen, anhand der Abbildung wird deutlich, dass sich diese mit steigender Leistung verändert. Während die Modelle anfangs noch mit 26" x 2" bereift wurden, erreicht man Ende der 20er Jahre eine Breite von 3,25". Farblich waren die Motorräder stets schwarz mit verschiedenfarbigen Linierungen (weiß, gold, blau).
Gliederung:
1919 - 1921
In Europa musste man sich von den Folgen des ersten Weltkriegs erholen. Seit Kriegsausbruch war nahezu die ganze britische Industrie auf die Produktion von Rüstungsgütern ausgerichtet. Durch die vielen Kolonialgebiete und Kriegsschauplätze wurden Unmengen davon benötigt. Mit dem Ende des Krieges kehrte man bei Calthorpe , wo von 1917 bis 1918 ausschließlich Handgranaten produziert wurden, zur Motorrad- und Automobilproduktion zurück.
So bot man im Jahre 1919 die Calthorpe JAP und Two Stroke an. Die Maschinen entsprachen den Vorkriegsmodellen.
Das Modell JAP hatte einen 2 ¾ HP Viertaktmotor (300ccm). Überliefert sind hier JAP Motoren mit Zündmagnet hinter dem Zylinder und davor. Grundlegend war dies eine Frage der Überzeugung. Während der Zündmagnet hinter dem Motor viel Hitze abbekam, war die Montage davor aufgrund der ungeschützten Lage bei Regen problematisch.
Das Modell "Two Stroke" wurde von einem 3 ½ HP Precision (350ccm) Zweitaktmotor mit 74 mm Bohrung und 81 mm Hub angetrieben.
Im Jahre 1920 waren die Modelle auch im Produktionsprogramm. Dabei bewarb man die konstruktive Exzellenz und das moderne Aussehen der Maschinen. Mit der Losung: „The RIGHT thing at the RIGHT price“ wollte man das Preis-Leistungsverhältnis der Maschinen anpreisen.
Die Zweitaktmaschine hatte jedoch nun einen 2 ¾ HP Motor von PeCo (Pearson and Cole, Birmingham) mit 350 ccm. Dieser hatte einen Hub von 79 mm und eine Bohrung von 75 mm. Die Schmierung erfolgte nicht über ein Benzingemisch. Aus dem Öltank wurde das Öl mit einer Pumpe in eine umlaufende Nut am Zylinder gepresst. Über kleine Bohrungen gelangte es auf die Zylinderlaufbahn und die Lager. Hauptlager und Pleuellager waren mit Zylinderrollenlagern bestückt.
Das JAP Modell hatte einen Viertaktmotor mit 70 mm Bohrung und einem Hub von 76 mm. 292 ccm Hubraum (2 ¾ HP ). Alle Lagerungen waren Gleitlager aus Phosphorbronze.
Beide Maschinen haben ein Enfieldgetriebe mit zwei Gängen, einem Leerlauf und Backen-Kupplung. Der Primärtrieb wird mit einer Rollenkette und der Abtrieb mit Riemen bewerkstelligt. Das Tankvolumen beträgt 5,7 Liter Benzin und 1,14 Liter Öl. Am Tank ist die Handpumpe von Best & Lloyd‘s für die Schmierung angebracht.
Im Jahre 1921 wurde das Modell "Two Stroke" mit 3 HP angeben. Hub und Bohrung blieben jedoch gleich. Weiterhin gab es eine Gespannvariante.
1922 bis 1924
Im Modelljahr 1922 wurde das Produktionsspektrum um drei Maschinen erweitert. Zum einem um die Modelle "Two Stroke Singlespeed" (2½ HP) und "Two Stroke; Two Speed" (2½ HP). Diese hatten einen PeCo Zweitaktmotor mit 243 ccm Hubraum. Bohrung und Hub betrugen 67 mm x 69 mm. Die Maschinen waren günstiger als ihre leistungsstärkeren Schwestermodelle.
Weiterhin wurde wieder das Modell "4 HP JAP V-Twin" auf den Markt gebracht. Wie bereits 1916 wurde dieses mit einem Zweizylinder V-Motor von JAP angetrieben. Die Zylinder haben eine Bohrung von 64,5 mm und einen Hub von 76 mm. Der Hubraum beträgt 496 ccm. Das Tankvolumen erhöhte sich bei diesem Krad um eine halbe Gallone auf 8 Liter und es kam ein Dreiganggetriebe von Burman zum Einsatz.
Ein Modelljahr später (1923) entfiel das JAP V-Twin Modell wieder. Ebenso das Modell "JAP". Dafür kam das Modell "2 ¼ HP Blackburne Lightweight" hinzu. Dieses hatte einen Viertaktmotor von Blackburne mit 60 mm Bohrung und 88 mm Hub. Dadurch kam er auf einen Hubraum von 249 ccm. Das Modell "3HP Two-Stroke" bekam ein Dreiganggetriebe und alle Tanks fassten nun eine Viertel Gallone mehr. (Gesamt 6,7 Liter)
Im Jahre 1924 machte Calthorpe schwierige Zeiten durch. Wie in der Geschichte beschrieben, wird die Calthorpe Motor Cycle Co. von der Calthorpe Motor Co 1912 Ldt. an die Minstrel and Rea Cycle Co. verkauft. Der Automobilbau wird aufgegeben. Insofern lässt sich nicht genau feststellen inwiefern Modelle der Jahre 1923 auch noch 1924 gebaut wurden oder ob Modelle aus dem Jahre 1925 unter neuer Unternehmensführung bereits schon 1924 vom Band liefen.
1925
Im Jahre 1925 hatte Calthorpe sechs Maschinen im Prospekt gelistet. Neben vielen leistungsschwächeren Maschinen kamen nun auch größere Modelle hinzu.
Die kleinste Maschine war das Modell "1½ HP Villiers Featherweight". Der Motor von Villiers hatte einen Hubraum von 149 ccm. Die Bohrung betrug 55 mm und der Hub 62 mm. Das Motorrad hat ein Dreiganggetriebe und wird mit Zweitakt-Gemisch betankt. Die zweite Maschine entspricht dem Modell "Two Stroke Singlespeed" und wird als "2,5 HP Singlespeed" angeboten. Das dritte Krad war eine Aufrüstung der "Singlespeed" zur "Three-Speed" mit Kettenantrieb am Hinterrad. Das Modell "Blackburne" ist die vierte Maschine im Prospekt. Sie entspricht dem Modell "Blackburne Lightweight" vom Vorjahr. Dies wurde nun auch mit einem Dreiganggetriebe und Kettenantrieb ausgestattet.
Gefolgt wurde dieses Krad vom Modell "3 ½ HP JAP 3-Speed" mit einem Viertakt 350 ccm JAP Motor. Dieser hat eine Bohrung von 70 mm und einen Hub von 90 mm. Die entstehende Kraft am Kolben wird nun über Rollenlager an der Kurbelwelle aufgenommen. Der Motor ist seitengesteuert und das Getriebe von Burman hat drei Gänge.
Den Abschluss bildet das Motorrad "3 ½ HP OHV Sports Model". Es ist das erste Motorrad mit einem Motor von Calthorpe. Der Motor (D4) hat einen Hub von
81 mm und eine Bohrung von 74 mm. Der Motor hat oben liegende Ventile (OHV = Over Head Valves) und eine rollengelagerte Kurbelwelle. Eine kleine Zahnradpumpe versorgt das untere Pleuelauge mit Öl. Dieser Motoren[grund]typ (D-Typ) wird die Marke die nächsten fünf Jahre bestimmen und viele Motorräder bis hin zur Ivory I von 1928 (Motor D9) antreiben. Wie das JAP Modell wurde ein Dreiganggetriebe von Burman verbaut und der Tank fasst 8 Liter Kraftstoff.
1926
Im Jahre 1926 wurde das Produktportfolio um das Modell
"247 cc Villiers" ergänzt. Es hatte einen 2½ HP Motor mit einer Bohrung von 67 mm und einem Hub von 69 mm. Der Zweitakter wurde über das Gemisch geschmiert. Die Maschine hatte ein Dreiganggetriebe und Kettenantrieb.
Das Modell mit PeCo Motor und drei Gängen schied aus dem Produktionsprogramm aus.
Weiterhin kam das Modell
"350 cc OHV Super Sports Model" hinzu. Es ist eine verbesserte Variante des "3 ½ HP OHV Sports Model"
, welches nun "350cc OHV Sports Model"
heißt. Die "Super Sport" - Ausführung hat einen Amac Vergaser und eine 6'' große Bremse. Die Gabel ist deutlich verstärkt und der Tank fasst 9 Liter.
1927
In diesem Jahr wurden die Maschinen mit einem neuen Namensschema versehen. Die "147cc Villiers Featherweight" erhielt den Zusatz "C.2.". Die "247cc Villiers" den Zusatz "A.5." und das Modell mit 249 ccm Blackburne Motor den Zusatz "A.5.B."
Technische Änderungen gab es bei den Modellen "OHV Super Sport Model" und "OHV Sport Model", welche nun die Zusätze "D.6.S." und "D.6.A." tragen. Die "D.6.A." hat nun auch eine verstärkte Gabel und eine 6 Zoll Vorderradbremse. Das Tankvolumen wurde auf 9 Liter erhöht und das der "D.6.S" auf 10,2 Liter. Dafür ist jedoch der Öltank bei der "D.6.S." an das Sattelrohr montiert wurden. Das Novum des Modelljahres stellt jedoch die "OHC G.1" dar. Diese hat einen Hubraum von 498 ccm bei einem Hub von 90 mm und einer 84 mm Bohrung. Es ist der erste Motor von Calthorpe in dieser Hubraumklasse und zudem noch einer mit obenliegender Nockenwelle (OHC = Over Head Cam), welche per Königwelle angetrieben wird. Das Fahrgestell und die Anbauteile entsprechen der "D.6.S". Die Vorderradbremse misst 7 Zoll.
1928 -1929
Im Jahre 1928 werden nur noch die "D.6.A", welche fortan "OHV Popular" heißt, die "D.6.S" und die "OHC G.1" gebaut. Die Popular hat nun auch den Öltank am Rahmen. In der zweiten Jahreshälfte konnte man die "Popular" auch mit Doppelauspuff kaufen. Vermutlich war der Zylinderkopf für die Calthorpe Ivory bereits fertig und kam deshalb noch der "Popular" zu Gute. Für Speedway-Rennen bietet Calthorpe eine Spezial-Maschine an. Der Motor leistet über 20 bhp!
Ab Herbst jenes Jahres konnte man die Ivory I, welche die technische Weiterentwicklung der Popular darstellt, kaufen. Dazu siehe hier. Das Programm umfasst nun erstmals nur Maschinen mit Motoren aus eigenem Hause.
Die "D.6.S" wurde 1929 nicht mehr angeboten und die "OHC G.1" erhielt in ihrem letzten Baujahr noch einen Satteltank, wie er auch bei der Ivory I verwendet wurde.
[1] Calthorpe Verkaufsprospekt von 1920
[2] Calthorpe Verkaufsprospekt von 1922
[3] Calthorpe Verkaufsprospekt von 1923
[4] Calthorpe Verkaufsprospekt von 1925
[5] Calthorpe Verkaufsprospekt von 1926
[6] Calthorpe Verkaufsprospekt von 1927
[7] Calthorpe Verkaufsprospekt von 1928
[8] Werbeanzeige aus "The Motor Cycle" (26.07.1928)
[9] Calthorpe Speedway Flyer 1928
[10] Artikel aus "MotorCycling" 1929
[11] The Motor Cycle 18. Nov. 1927