Unternehmensgeschichte
Im Zusammenhang mit dem englischen Fahrzeugbau tauchte der Name „Calthorpe“ erstmals im Jahre 1906 auf. Der Weg zum ersten Automobil bis hin zum letzten Kraftrad der Marke „Calthorpe“ war von verschiedensten Unternehmungen und Gesellschaften sowie dem Wirken einer Person geprägt.
George William Hands und die Anfänge im Fahrradgewerbe
George William Hands wurde am 10. April 1871 in Bridgeport (Connecticut, U.S.A) geboren. Seine Familie lebte vorübergehend dort und sein Vater arbeitete als Maschinenschlosser. Hands zog
zusammen mit seinem Bruder nach England und lebte im Vorort Handsworth /Birmingham. Er arbeitete als Dreher und Fahrradmechaniker bis er mit mit 20 Jahren in das Fahrradgeschäft einstieg.
Im Jahre 1894 gründete er gemeinsam mit Arthur Cake die Firma „Hands and Cake“. Die Werkstatt der beiden Fahrradbauer befand sich in der Adderley Street im Ortsteil Digbeth der Industriestadt
Birmingham.
Die Unternehmung „Hands and Cake“ wurde im Jahre 1897 zur „Bard Cycle Manufacturing Company Ltd“ mit Hands als geschäftsführenden Gesellschafter umfirmiert. Ebenso wurde eine
Produktionsstätte in der Barn Street im Stadtteil Bordesley bezogen. Die produzierten Fahrräder wurden unter der eingetragenen Handelsmarke „Bard" verkauft. Weiterhin nahm man ein
motorbetriebenes Dreirad in das Produktprogramm auf. Als Antriebsaggregat kam ein Motor der Marke De-Dion mit 2 ¼ HP (Erklärung der Einheit hier) zum
Einsatz. Parallel wurde auch ein vierrädriges Fahrzeug angeboten. Die Firma war eine der ersten im 19. Jahrhundert, welche motorisierte Fahrzeuge dieser Art produzierte. Im Jahre 1902 wurde
aufgrund zu hoher Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern die Einstellung der Geschäftstätigkeit beschlossen.
Die Motorisierung hält Einzug und die Marke "Calthorpe" entsteht
Bereits ein Jahr später gründete Hands die „Minstrel Cycle Co.“ mit Sitz in der Bishop Street. Die Aktivitäten der „Bard Cycle Manufacturing Company Ltd“ wurden auf die „Minstrel Cycle Co.“ übertragen und der Betrieb in der Barn Street veräußert. Nun produzierte man drei Fahrradmodelle. Das „Minstrel“, welches bereits bei „Bard“ gebaut wurde und das neue „Rea“. Dieses wurde nach dem Rea, welcher Birmingham durchfließt, benannt. In dessen Nähe befanden sich die alte Fabrik der Marke „Bard“ als auch die der neuen „Minstrel Cycle Co.“. Das dritte Modell „Fiscal“ wurde als günstiges Rad ohne Markenzeichen verkauft. Fahrradhändler konnten ihre eigene Schiebebilder anbringen und die Räder gestalten sowie ausstatten.
Weiterhin wurden motorisierte Fahrzeuge unter dem Namen „Rea“ hergestellt. Die Motorräder hatten 3¼ HP und drei dieser Maschinen nahmen am „London to Edinburgh Motorcycle Ride“ 1905 teil. Die
24h - Fahrt wurde vom 1901 gegründeten „Motor Cycle Club“ ausgetragen. Im Jahre 1904 baute Hands in der Firma seine ersten Automobile mit einem 10 HP Vierzylindermotor von Fafnir aus Aachen. Die Kraftübertragung erfolgte bereits per Welle. Die Produktion der Automobile erfolgt in der Barn Street, wo die Produktionsgebäude offenbar wieder zurückgekauft wurden. In dieser Zeit fällt der Name "G.W.Hands" öfter in der Tagespresse und öffentlichen Anzeigern. So musste Hands mehrfach wegen Fahrens mit überhöhter Geschwindigkeit und daraus resultierender Gefährdung Anderer bei Polizei und Gericht vorsprechen. Ebenso wurde er beim Fahren ohne Kennzeichen erwischt. Er erhielt jedoch stets "nur" Geldstrafen [12].
Aufgrund des Unternehmenswachstums kam es zur Umfirmierung im Jahre 1906.
Aus der „Minstrel Cycle Co.“ wurde die „Minstrel and Rea Cycle Co“. Die Firma verlegte ihren Sitz wieder zurück in die einen Kilometer entfernte Barn Street. Hands blieb Gesellschafter.
Zu den Geschäftsbereichen zählten der Fahrradbau mit den Modellen Rea, Minstrel, Dux und Fiscal, sowie der Bau von Motorrädern und Automobilen. Für die Produktion der Touren-Automobile 12/14 HP und 28/40 HP mit Mehrscheibenkupplung wurden Produktionshallen in der Cherrywood Road bezogen.
Dort befand sich in direkter Nachbarschaft die "Wolseley Motor Co." (Wikipedia Artikel).
Als Markenname wurde für die gebauten Automobile „Calthorpe“ eingeführt.
Calthorpe war als Familienname von Großgrundbesitzern in und um Birmingham bekannt. Frederick Gough, der 4. Baron Calthorpe (1862–1940), stiftete einen Teil seines Landes an die Stadt
Birmingham, welche 1853 am Fluss Rea den „Calthorpe Park“ eröffnete. Dieser befindet sich unweit der Bishop Street, wo die ehemalige „Minstrel Cycle Co.“ ihren Sitz hatte. An die Calthorpe
Familie wurde sehr wahrscheinlich Pacht für die Grundstücke der Fabriken gezahlt. Ob es durch die Verwendung des Namens als Marke Pachtvergünstigungen gab oder ob der Name auf Grund eines
guten Rufes verwendet wurde, ist nicht überliefert.
1907 wurde das Touren- Automobil 16/20hp mit Motor von White & Poppe eingeführt.
Von der Marke zur Gesellschaft
Ab 1908 nahm die Fertigung von Motorrädern und Automobilen zu und auf Initiative von Hands wurde ein eigener Geschäftsbereich im Jahre 1909 mit der Gründung der „Calthorpe Motor Co. Ldt.“ eingerichtet. Der Alleineigner war die „Minstrel and Rea Cycle Co.“
Das Geschäftsfeld der Tochtergesellschaft war anfangs der Automobilbau in der Cherrywood Road im Stadtteil Bordesley Green. Neben dem 16/20 HP wurden dort auch die Modelle 25 HP und 10 HP gebaut, letzterer mit Zweizylindermotor. Die Büroräume befanden sich in der John Bright Street. Im weiteren Verlauf des Jahres wurde auch der Motorradbau kaufmännisch in die „Calthorpe Motor Co.“ verlagert. Produziert wurden die Zweiräder in den Fabrikgebäuden der „Minstrel and Rea Cycle Co.“. Das erste Motorrad verfügte über ein 3.5 HP starken White and Poppe Motor. Im Jahre 1911 folgen die ersten Motorräder mit luft- oder wassergekühlten Precision Motoren. Die „Minstrel and Rea Cycle Co.“ führte 1911 das neue Fahrradmodell „Tourist“ ein.
Im Motorsport fuhr man mit den Automobilen auf vordere Ränge. Beim Four-Inch Race auf der Isle of Man belegte man 1908 den 4. Platz. George Hands saß oftmals selbst am Steuer!
Auf der Suche nach neuen Kapitalgebern wurde 1912 die „Calthorpe Motor Co. (1912) Ltd.“ gegründet. George William Hands war einer der Vorstände. Die Gesellschaft führte den Automobil- und Motorradbau der „Calthorpe Motor Co. Ldt.“ fort und war zumindest formal von der „ Minstrel and Rea Cycle Co.“ getrennt. Die Produktionshallen wurden weiterhin gemeinsam benutzt und auch Hands war in beiden Firmen als Vorstand tätig. Im Jahre 1914 wurde die „Calthorpe Motor Co. Ldt.“ aufgelöst.
Durch die „Calthorpe Motor Co. (1912) Ltd.“ wurde 1913 die „Calthorpe Motor Cycle Co.“ als Tochter gegründet, welche nun für den Motorradbau sowie deren Verkauf und Vermarktung zuständig war. Diese bot von 1913 bis 1917 sieben verschiedene leichte Motorräder an. Sie verfügten über 2 ¼ HP bis zu 4 HP starke JAP-Motoren und neben einem Krad für Frauen wurde auch ein Motorrad mit Beiwagen in das Produktprogramm aufgenommen. Sitz und Produktionsstandort der Gesellschaft waren in den Werksanlagen der Barn Street.
Von der Dachgesellschaft wurden im Automobilbereich leichte Kraftwagen (zwei- und viersitzig) mit Vierzylindermotor und einer "Leistungs"-spanne von 10 bis 20 HP angeboten. Ebenso hatte man auch Rennfahrzeuge im Portfolio. Das bekannte und beliebte Modell war jedoch der „Minor“. Quasi vollausgestattet mit Windschutzscheibe, Lampen und Rudge-Whitworth Felgen war dieses Fahrzeug ein Fabrikat höchster Güte und hatte großen Erfolg.
Der Fahrradhersteller "Mead Cycle Co.", welcher ursprünglich aus der USA stammt und in Liverpool seine Vertretung im Vereinigten Königreich hatte, ließ ab 1911 bis zum Jahre 1915 diverse Maschinen im Motorradwerk bei Calthorpe bauen. Sie entsprachen technisch und optisch 1:1 den Calthorpe Motorrädern und unterschieden sich nur durch den Namen "Mead" am Tank. Während von 1911 bis 1914 nur ein Modell angeboten wurde, gab es 1914 die ganze Produktpalette von "Calthorpe" auch als "Mead" zu kaufen. [6,7]
An dieser Stelle soll ein einer Exkurs in die Werksanlagen der Barn Street erfolgen. Ein Journalist der Zeitung "Motor Cycling" besuchte das Werk im Jahre 1914 um die Calthorpe Junior "Motorcyclette" zu testen. Dabei entstanden die nachfolgenden Aufnahmen.
Deutlich zu sehen ist der Werkstattcharakter in der Fertigung, welcher jedoch völlig ausreichend war. Die Fertigstiefe war zu jener Zeit gering. So waren Motor, Felgen, Gabel, Griffe, Vergaser, Zündung und Licht allesamt Zukaufteile. Rahmen und Blechteile wurden hingegen selber hergestellt. Das zweistöckige Werksgebäude war kein Neubau und dürfe zum Zeitpunkt des Einzugs im Jahre 1906 schon 50 Jahre gestanden haben. Auf alten Karten ist in diesem Bereich von einer Mill (engl. milling =drehen), also einer Dreherei die Rede.
Im unteren Stockwerk befand sich der Maschinenpark um Kleinteile wie Wellen und Achsen zu fertigen. Weiterhin war dort die Blechteilefertigung und Lackiererei untergebracht. Im zweiten Stock wurden die Maschinen zusammengebaut und anschließend über eine Rampe heruntergefahren.
Im Jahre 1917 erwarb die „Calthorpe Motor Co. (1912) Ltd.“ die „Mulliners Ldt.“ in Birmingham, welche Karosserien und Automobile bereits vor dem Kauf durch Calthorpe fertigte. Kriegsbedingt war der Absatz von Automobilen und Motorrädern sehr gering und die Produktion wurde zeitweise eingestellt. Im Gegenzug stellte man
Handgranaten des Typs №5 MK1 in einem Umfang von 35.000 Stück wöchentlich her. Dem Unternehmen ging es gut und man stellte dem Vereinigten Königreich 30.000 £ Kriegsanleihen zu Verfügung.
Die zwanziger Jahre und das Ende der Automobilproduktion
Nach dem Ende des Kriegs wurde im Automobilbau nur noch eine verbesserte Variante des kleinsten Wagens hergestellt und vertrieben. Der überarbeitete „Minor“ verfügte über einen Motor mit 1261ccm.
Im Jahre 1920 wurde von den Vorständen eine Produktion von 50 Automobilen in der Woche beschlossen. Die Karossen wurden von der eingekauften „Mulliners Ldt.“ gebaut und die Endmontage erfolgte in der Cherrywood Road. Motorsportlich zeigte Calthorpe bei Rennen in Brooklands Präsenz.
Im Geschäftsbereich der „Calthorpe Motor Cycle Co.“ wurden die Vorkriegsmodelle mit Modifikationen und kleinen Verbesserungen angeboten. Man wurde Eigentümer des Zweitakt-Motorenherstellers Peco, welcher 1916 insolvent ging und bis dato Zulieferer war. Im Jahre 1922 wurde das Produktspektrum um ein Motorrad mit 350ccm Zweitaktmotor und 3 Gang Getriebe erweitert.
Im selben Jahr verließ Hands die „Calthorpe Motor Co. (1912) Ldt.“, gründete die „G.W. Hands Motor Co.“ und entwickelte sein eigenes „Hands“ Automobil. Sein Interesse galt exklusiveren Fahrzeugen mit hohem technischen Innovationsgrad. Seine Fahrzeuge wurden im selben Werk wie die Motorräder der „Calthorpe Motor Cycle Co.“ gefertigt. Für den Produktionsstandort in der Barn Street wurde nun der Name „Lion Works“ genutzt. Im Jahre 1923 sind 250 „Hands“ Automobile ausgeliefert worden. Die Fahrzeuge waren als 2- oder 4-Sitzer verfügbar und verfügten teilweise über Motoren mit einer obenliegenden Nockenwelle (O.H.C).
Bei der „Calthorpe Motor Cycle Co.“ wurden die Viertakt Motoren von JAP durch 250ccm Motoren von Blackburne ersetzt. Ein Modelljahr später wurde wieder auf JAP Aggregate umgestellt und zudem ein Modell mit 147ccm Villiers Motor angeboten.
Hands kehrte 1924 in die „Calthorpe Motor Co. (1912) Ldt.“ zurück.
Im Jahre 1925 wurden auf Messen elf verschiedene Automobile gezeigt. Doch die Tage der leichten und dennoch teuren Automobile waren gezählt. Daran konnte auch der fortschrittliche Sechszylindermotor (O.H.C) von Hands nichts ändern. Bei der „Calthorpe Motor Cycle Co.“ wurde indes ein 348ccm Viertaktmotor konstruiert und im neuen Sport-Modell mit drei Gängen und Druid-Gabel verbaut. Man war nun auch Motorenbauer!
Die „Calthorpe Motor Co. (1912) Ldt.“ wurde 1925 aufgrund der sinkenden Absätze an Automobilen aufgelöst. Es wurden noch bis zum Jahre 1928 bereits bestellte Fahrzeuge gebaut und ausgeliefert. Die Anzahl an gebauten Automobilen nach dem ersten Weltkrieg beläuft sich auf circa 5000 Stück. Die "Mulliners Ldt." wurde verkauft und George Hands kehrte nach dem Scheitern mit den "Hands" Automobilen nun auch "Calthorpe" den Rücken. Der Fahrradbau wurde eingestellt, um die Kapazitäten für den Motorradbau zu erhöhen und die Produktionsanlagen in der Cherrywood Road wurden veräußert.
Mit der Auflösung der Gesellschaft ging die profitable Motorrad-bauende Tochtergesellschaft „Calthorpe Motor Cycle Co.“ an die „Minstrel and Rea Cycle Co.“. Die Werksbezeichnung „Lion Works“ verschwand nun wieder von den Prospekten. Im Jahre 1926 wurde eine Super Sport Variante der 348ccm Maschine vorgestellt und ein Jahr später erfolgte die Markteinführung der 498 ccm Maschine „G1“ mit Calthorpe OHC Motor.
Die Ivory Ära - Das Erfolgsmodell und der Niedergang
Die wohl bekannteste Modellreihe der „Calthorpe Motor Cycle Co.“ wurde 1929 vorgestellt. Die Ivory (I) verfügte über einen überarbeiteten Calthorpe 348ccm Motor. Die elfenbeinfarbene Lackierung und der Satteltank machten die Maschine zu einem Verkaufsschlager.
Die Produktion der G1 mit Königswelle wurde eingestellt und die Entwicklung der Ivory vorangetrieben.
Bereits im Jahre 1930 wurde die Ivory (II) mit nach vorne geneigtem Zylinder angeboten. Die Ivory (III) aus dem Jahre 1931 verfügte über eine Dupex-Ölpumpe sowie Detailverbesserungen. Im Jahre 1932 folge die Ivory (IV) welche nun erstmals auch mit 500 ccm Motor angeboten wurde. Zudem gab es eine 249 ccm Zweitaktmaschine mit Villiers Motor, welche aber bereits ein Jahr später wieder entfiel. Ebenso fiel die 350ccm Maschine aus dem Programm, sodass 1933 nur die Ivory Major mit 500ccm offeriert wurde.
Schließlich kam 1934 eine 249ccm Maschine mit eigenem Calthorpe Viertaktmotor hinzu.
Ab dem Jahre 1935 bis zum Jahre 1938 wurden die Ivory Modelle mit 250, 350 und 500 ccm angeboten. Weiterhin konnte man eine Rennmaschine mit überarbeitetem Motor bestellen. Technische und optische Änderungen erfolgten nur im Detail. In dieser Zeit geriet die Firma aufgrund der gesunkenen Nachfrage an Motorrädern und veralteten Produktionsanlagen in finanzielle Schieflage. Im Jahre 1935 bot Calthorpe auch seine Motoren für Fremdmarken zum Kauf an. Dafür wählte man den Namen "PECO", andem man ohnehin die Namensrechte besaß. Die Firma Tomaselli (Turin (Italien); 1229-1939) bot seine Maschinen mit 350 ccm (K3) und 500 ccm (M3) "PECO" Calthorpe Motoren an. Die Firma Guazzoni (Milano(Italien); 1935-1979) verwendete für ihr erstes Motorrad einen Calthorpe M3 Motor. Beide Unternehmungen hatten jedoch keine nenneswerten Absätze.
Ende 1936 wurde die Vermarktung der Maschinen im Vereinigten Königreich an die Firma „Pride and Clarke“ aus London gegeben um die Verkaufszahlen zu steigern. Eine neue Farbgebung sollte dabei helfen. Das Projekt Red-Calthorpe "glückte" und es gab wieder steigende Produktionszahlen. Das Verkaufsmodell sah vor, dass der Käufer £5 anzahlt und den Restbetrag (je nach Modell £38 bis £45) binnen 18 Monaten zahlt. Somit wurde zwar die Auslastung erhöht, aber das dringend nötige Geld kam stark verzögert in die Kassen. "Pride and Clarke" , als Verkäufer, erhob natürlich Verkaufprovisionen und unterm Strich blieb erneut nicht genug Geld übrig um die Produktion moderner und effizienter zu machen oder um neue Modelle zu entwickeln. Ein letzter Versuch war die erneute direkte Vermarktung, ohne "Pride and Clarke" der Maschinen im Jahre 1938. Nun nahm man sogar wieder die Bezeichnung "Lion Works" auf die Anzeigen. Aber da war es bereits zu spät und man musste nach drei Jahren harter Bemühungen in die Geschäftstätigkeit einstellen und den Motorradbau nach 29 Jahren beenden. Die Calthorpe Motor Cycle Co. hatte als alleinigen Eigentümer die Minstrel & Rea Cycle Co. und deren Gesellschafter beschlossen unter Vorsitz von Hands Frau am 07. Oktober 1938 bei einer außerordentlichen Generalversammlung die Verbindlichkeiten gegenüber Gläubigern zu bedienen und die Gesellschaft abzuwickeln und freiwillig aufzulösen. Bis zum 16. August 1939 konnten Gläubiger ihre Ansprüche geltend machen. Am 29. April 1940 wurde die Gesellschaft liquidiert und die Bücher und Geschäftsdokumente vernichtet und veräußert.
Aus fahrzeugtechnischer Sicht ist noch einmal hervorzuheben, dass die Ivory zu jeder Zeit den Stand der Technik repräsentierte. Calthorpe war es gelungen einen sehr niedrigen Fahrzeugschwerpunkt bei ausreichender Bodenfreiheit zu realisieren. Der Motor war ebenso auf Weltniveau und verhalf somit dem Krad zu sehr guten Fahrleistungen. Zu dem ist hervorzuheben, dass Calthorpe eigene Motoren entwickelte und verbaute und nicht auf Massenware und Zukauf von JAP oder Anderen zurück griff. Der eigene Motor, das edle Aussehen und die sportliche Linie machten die Maschinen zu etwas Besonderem. Calthorpe hatte sein Produktportfolio Anfang der 1930er Jahre auf jenen Käuferkreis ausgerichtet, welcher in den folgenden Jahren lieber auf ein Automobil sparte. Günstige Modelle für die Massenmotorisierung mit wenig Hubraum und Zweitaktmotoren wurden, wahrscheinlich aus Kapazitätsgründen, aus dem Programm genommen. Den Status eines Luxus- oder Kultmotorrades erreichte die Ivory, auch wegen fehlendem motorsportlichen Engagements nicht. In mehrerlei Hinsicht hatte die Geschäftsführung somit auf das falsche Pferd gesetzt. Ob es Bemühungen gab, sich mit anderen Herstellern zusammen zu tun, ist mir nicht bekannt. A.J.S, Matchless und Sunbeam beschritten 1938 diesen Weg um marktfähig zu bleiben. Doch durch die primitive Fertigung und den desolaten Zustand der Produktionsanlagen dürfte wohl kaum ein anderer Motorradhersteller ein Interesse gehabt haben, sich mit Calthorpe zu verbünden.
Verkauf der Markenrechte und Wiederbelebungsversuche
Der Markenname „Calthorpe“ wurde von Bruce Douglas, einem Neffen des Gründers der „Douglas Motors Ltd.“ aus Bristol 1939 gekauft. Das stark verkommene Werk in der Barn Street wurde beräumt und alle Maschinen und Ersatzteile nach Bristol gebracht. Unter der Marke „Calthorpe“ sollten fortan die Modelle 250cc Cavalier, 350cc Cavalier und 500cc Cavalier mit Matchless Motoren verkauft werden. Es kam jedoch nicht zur Serienfertigung und das Projekt wurde beendet.
Kurz vor dem Ende des zweiten Weltkriegs kaufte Harold Nock, welcher Geschäftsführer der „DMW Motorcycles“ -werke aus Wolverhampton war, die Markenrechte an „Calthorpe“ und plante den Bau einer 125ccm Maschine mit Villiers Motor. Ein Motorrad wurde gebaut und der Fachpresse vorgeführt. Zur Serienfertigung kam es jedoch nicht und das Ende der Marke „Calthorpe“ war endgültig gekommen.
Der Gründervater, sein Hotel und der Pferdesport
George Hands begann seine Karriere mit 17 Jahren als Fahrradmechaniker und war drei Jahre später bereits selbstständig. Im Jahre 1920 war er mit 49 Jahren als Rennfahrer, Großindustrieller und Produzent von Fahrrädern, Motorrädern, Automobilen und Rüstungsgütern in der finanziellen Lage, ein Anwesen in Torquay an der "englischen Riviera" zu erstehen. Er ließ das schmucke Gebäude umfassend zu einem großen Hotel erweitern, welches er fortan sehr erfolgreich als "Palace Hotel Torquay" betrieb. Aus dem Fahrzeugbau zog er sich mit dem Ende der "Hands" Automobile Mitte der zwanziger Jahre zurück.[5]
Seit 1913 widmete er sich auch intensiv dem Pferdesport. Er besaß mehrere Rennpferde und züchtete diese. Mit seinem Rennstall konnte er mit dem Pferdetrainer Arthur Saxby und dem Jockey Fred Herbert unzählige Siege erringen. Sein Hotel erweiterte er in den späten 1920ern um einen überdachten Swimming Pool, einen Tennis- und Squashplatz sowie einen Golfplatz. Später folgten noch ein Kino und eine Bowlingbahn. Am späten Abend des 25. Februar 1938 verstarb George William Hands in seinem Landhaus in der Nähe von Ascot. Er hinterließ seine Ehefrau und zwei Töchter, sowie ein Vermögen von 250.000 £ (entspricht heute ca. 50.000.000 £ (!))[10], [11]. Das Palace Hotel in Torquay wurde im Jahr 2020 abgerissen und weicht damit einem Neubau.
Das obige Bild zeigt George W. Hands sowie das Küchenpersonal des Palace Hotels im Jahre 1929. Für mich ist dies ein sehr wertvolles Zeitdokument, da es das einzige Bild in meinem Fundus ist, welches den Gründervater von "CALTHORPE" zweifelsfrei zeigt.
Das materielle Vermächtnis des George William Hands ist heute rar geworden. Egal ob Fahrrad, Motorrad oder Automobil. Seinem unermüdlichen Unternehmergeist und Tatendrang wird mit dem Erhalt und der Restauration der vorhanden Fahrzeuge ein Denkmal gesetzt.
..zurück zum Seitenanfang
Bearbeitungsstand: 10/2020
[1] https://www.oldbike.eu/
[2] https://maps.nls.uk/view/101168030
[3] https://britainfromabove.org.uk/
[4] https://www.gracesguide.co.uk/
[5] https://www.calthorpe.info/
[6] https://www.gracesguide.co.uk/Mead_Cycles
[7] https://cybermotorcycle.com/euro/wikig/Mead-Cycles.html
[8] Motor Cycling vom 7. April 1914
[9] https://www.uniquecarsandparts.com.au/lost_marques_calthorpe
[10] The Daily Mail, 26.Feb.1938
[11] Birmingham Gazette, 25.Jun.1938
[12] Leamington Spa Courier, 1.Sep.1905